Veröffentlicht am Mai 10, 2024

Die sichere Anwendung ätherischer Öle hängt nicht vom Auswendiglernen von Regeln ab, sondern vom Verstehen einfacher chemischer Prinzipien.

  • Ätherische Öle sind fettlöslich (lipophil), nicht wasserlöslich, und müssen daher immer in fetten Trägerölen verdünnt werden, um Hautreizungen zu vermeiden.
  • Qualität ist entscheidend: Nur Öle mit vollständiger Deklaration (botanischer Name, Herkunft) sind vertrauenswürdig und sicher.

Empfehlung: Beginnen Sie mit einem einzigen, hochwertigen, milden Öl wie Lavendel fein (Lavandula angustifolia) und einem guten Bio-Jojobaöl, um die Grundlagen der richtigen Verdünnung zu meistern.

Der Duft von Lavendel, der an einen Sommer in der Provence erinnert, oder das belebende Aroma von Zitrone an einem müden Morgen – ätherische Öle sprechen unsere Sinne auf eine tiefgreifende Weise an. Immer mehr Menschen entdecken diese Kraft der Natur für sich und möchten sie in ihre Hautpflegeroutine integrieren. Doch mit der Faszination wächst oft auch die Unsicherheit. Geschichten über Hautreizungen, allergische Reaktionen oder sogar Verbrennungen kursieren im Internet und schüren die Angst, etwas falsch zu machen. Viele Ratgeber geben oberflächliche Tipps wie „immer verdünnen“ oder „einen Patch-Test machen“, ohne jedoch das Warum dahinter zu erklären.

Die wahre Sicherheit in der Aromatherapie entsteht aber nicht durch das blinde Befolgen von Regeln, sondern durch echtes Verständnis. Wenn Sie die grundlegenden chemischen Eigenschaften dieser hochkonzentrierten Pflanzenessenzen verstehen, können Sie sie nicht nur sicher, sondern auch weitaus wirksamer einsetzen. Es geht nicht darum, ein Chemiker zu werden, sondern darum, die Logik der Natur zu erkennen. Die entscheidende Frage ist nicht nur, *welche* Öle sicher sind, sondern *warum* sie unter bestimmten Bedingungen sicher oder unsicher werden.

Dieser Artikel führt Sie über die üblichen Warnhinweise hinaus. Wir werden die Wissenschaft hinter der sicheren Anwendung entschlüsseln – von der fundamentalen Regel, warum Öl und Wasser sich nicht vertragen, bis hin zur unsichtbaren Gefahr von Sonnenlicht nach der Anwendung bestimmter Öle. Ziel ist es, Ihnen die Kompetenz zu vermitteln, ätherische Öle mit Freude und Vertrauen zu nutzen und Ihre Angst durch fundiertes Wissen zu ersetzen.

In den folgenden Abschnitten finden Sie eine klare und strukturierte Anleitung, die Sie Schritt für Schritt zu einer sicheren und selbstbewussten Anwendung führt. Entdecken Sie, wie Sie die Geheimnisse der Etiketten lüften, welche Öle für sensible Gruppen geeignet sind und wie Sie Ihre Haut schützen und pflegen können.

Warum dürfen Sie ätherische Öle niemals mit Wasser, sondern nur mit Fett mischen?

Die fundamentalste Regel der Aromatherapie ist gleichzeitig die am häufigsten missverstandene. Viele Anfänger versuchen, ein paar Tropfen Öl in ihr Badewasser zu geben oder es mit Wasser in einer Sprühflasche zu mischen. Das Ergebnis ist bestenfalls wirkungslos, schlimmstenfalls führt es zu Hautreizungen. Der Grund dafür liegt in einer einfachen chemischen Eigenschaft: Ätherische Öle sind lipophil (fettliebend) und hydrophob (wasserabweisend). Das bedeutet, sie lösen sich hervorragend in Fetten und Ölen, aber nicht in Wasser.

Gibt man ein ätherisches Öl direkt ins Wasser, schwimmen die konzentrierten Tropfen an der Oberfläche. Wenn diese unverdünnten Tropfen mit der Haut in Berührung kommen, ist das Risiko für Reizungen oder sogar Verätzungen extrem hoch. Ein fettes Trägeröl (wie Mandel-, Jojoba- oder Kokosöl) hingegen umhüllt die Moleküle des ätherischen Öls, verteilt sie gleichmäßig und ermöglicht ein sicheres, langsames Einziehen in die Haut. Das Trägeröl fungiert als sicheres Transportmittel. Die Aromatherapie-Expertin Margareta Ahrer unterstreicht dies:

Ätherische Öle sind hochkonzentrierte Substanzen, die unbedingt verdünnt werden müssen. Die meisten ätherischen Öle werden in den hier empfohlenen Verdünnungen von 1 – 3% von gesunden Erwachsenen im Allgemeinen problemlos vertragen.

– Margareta Ahrer, AROMA 1×1 – Ätherische Öle richtig verdünnen

Diese Verdünnung ist kein optionaler Schritt, sondern der Kern der sicheren Hautanwendung. Ein kleiner Praxistipp für ein sicheres Aromabad: Mischen Sie die gewünschten Tropfen ätherischen Öls zuerst mit einem natürlichen Emulgator wie einem Esslöffel Sahne, Honig oder einem neutralen Duschgel, bevor Sie die Mischung ins Badewasser geben. So verteilt sich das Öl fein im Wasser, anstatt an der Oberfläche zu schwimmen.

Ihr Aktionsplan: Ätherische Öle sicher verdünnen

  1. Trägeröl wählen: Besorgen Sie sich ein hochwertiges, kaltgepresstes Bio-Trägeröl. Jojobaöl ist ideal für das Gesicht, Mandelöl für den Körper.
  2. Verdünnung berechnen: Für die allgemeine Körperpflege eine 1-3%ige Verdünnung anstreben. Als Faustregel: Ca. 6-18 Tropfen ätherisches Öl auf 30 ml Trägeröl.
  3. Sonderfall Gesicht: Für die empfindliche Gesichtshaut nie mehr als eine 0,5%ige Verdünnung verwenden (ca. 3 Tropfen auf 30 ml Trägeröl).
  4. Mischtechnik: Geben Sie zuerst das Trägeröl in eine saubere Glasflasche und tropfen Sie dann das ätherische Öl hinzu. Fest verschließen und gut schütteln.
  5. Patch-Test durchführen: Tragen Sie eine kleine Menge der fertigen Mischung in Ihrer Armbeuge auf und warten Sie 24 Stunden, um eventuelle Reaktionen auszuschließen.

Wie erkennen Sie gestreckte oder synthetische Öle am Etikett?

Der Markt für ätherische Öle ist riesig und leider unreguliert. Das öffnet Tür und Tor für minderwertige, gestreckte oder rein synthetische Produkte, die bestenfalls wirkungslos und schlimmstenfalls gesundheitsschädlich sind. Ein „Duftöl“ für 3 Euro kann niemals die gleiche Qualität und Sicherheit bieten wie ein echtes, naturreines ätherisches Öl. Ihre erste Verteidigungslinie ist das Etikett. Ein seriöser Hersteller liefert Ihnen alle notwendigen Informationen, um die Qualität zu beurteilen.

Detailaufnahme von Etiketten hochwertiger ätherischer Öle

Ein hochwertiges Etikett ist wie der Personalausweis der Pflanze. Es sollte den botanischen Namen (z. B. Lavandula angustifolia statt nur „Lavendel“), das Herkunftsland und das Anbauverfahren (z. B. „kbA“ für kontrolliert biologischen Anbau) klar ausweisen. Bei bestimmten Ölen wie Rosmarin oder Thymian ist auch der Chemotyp (CT) wichtig, da er die chemische Zusammensetzung und damit die Wirkung und Sicherheit angibt. Achten Sie auf anerkannte Bio-Siegel wie Demeter, NATRUE oder das deutsche Bio-Siegel, die für geprüfte Qualität stehen.

Ein unrealistisch niedriger Preis, insbesondere bei kostbaren Ölen wie Rose oder Sandelholz, ist ein deutliches Warnsignal. Die Gewinnung dieser Öle ist extrem aufwendig, was sich im Preis widerspiegeln muss. Fehlende Angaben oder vage Formulierungen wie „naturidentisch“ oder „Parfümöl“ deuten fast immer auf ein synthetisches Produkt hin. Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zusammen.

Diese Tabelle, basierend auf den Qualitätskriterien führender Anbieter, dient als praktische Checkliste beim Einkauf. Wie eine Analyse der Qualitätsmerkmale zeigt, ist die Transparenz des Herstellers der Schlüssel.

Qualitätsmerkmale: Echte vs. Synthetische Öle
Merkmal Hochwertige ätherische Öle Synthetische/Gestreckte Öle
Botanischer Name Vollständig angegeben (z.B. Lavandula angustifolia) Fehlt oder unvollständig
Herkunftsland Klar deklariert Oft nicht angegeben
Chemotyp (CT) Bei relevanten Ölen vorhanden Fehlt
Zertifizierung Bio-Siegel (Demeter, NATRUE, BDIH) Keine oder fragwürdige Siegel
INCI-Bezeichnung Korrekt aufgeführt Fehlt oder fehlerhaft
Preis Angemessen für Qualität Unrealistisch niedrig für wertvolle Öle

Lavendel oder Zirbe: Was ist sicher für Schwangere und Kinder?

Die Haut von Kindern, insbesondere von Säuglingen, ist deutlich dünner und durchlässiger als die von Erwachsenen. Ebenso durchläuft der Körper während einer Schwangerschaft massive hormonelle Veränderungen, die die Empfindlichkeit erhöhen können. Daher gelten für diese Gruppen besondere Vorsichtsmaßnahmen. Die pauschale Aussage „Lavendel ist sicher“ ist hier unzureichend und potenziell gefährlich. Man muss differenzieren: Lavendel fein (Lavandula angustifolia) gilt aufgrund seines hohen Linalylacetat- und geringen Kampfergehalts als sehr sanft und wird oft in der Babypflege eingesetzt. Andere Lavendelarten wie Speiklavendel (Lavandula latifolia) sind hingegen kampferreicher und für Kleinkinder ungeeignet.

Für Kinder unter zwei Jahren sollte die Anwendung auf der Haut generell nur nach Rücksprache mit einer erfahrenen Fachperson erfolgen und die Verdünnung maximal 0,5 % betragen. Die Raumbeduftung über einen Diffuser ist hier oft die sicherere Wahl. Menthol- und kampferhaltige Öle wie Pfefferminze, Eukalyptus globulus oder Rosmarin Kampfer sind bei Säuglingen und Kleinkindern absolut tabu, da sie einen lebensgefährlichen Stimmritzenkrampf auslösen können. Milde, sichere Alternativen für Kinder sind Mandarine rot, Römische Kamille oder eben Lavendel fein.

In der Schwangerschaft sollten insbesondere im ersten Trimester viele Öle gemieden werden, die wehenfördernd oder stark hormonell wirksam sein könnten (z. B. Muskatellersalbei, Zimt, Nelke). Sanfte Öle wie Zitrone gegen Übelkeit oder Lavendel zur Entspannung können nach Rücksprache mit Hebamme oder Arzt jedoch eine wertvolle Unterstützung sein. Ein positives Beispiel aus der Praxis zeigt die Aromapflege in einem deutschen Krankenhaus, wo Lavendelöl erfolgreich zur Beruhigung von Patienten eingesetzt wird.

Fallbeispiel: Lavendel zur Beruhigung in der Neurologie

In der Neurologie-Abteilung eines deutschen Krankenhauses wird Lavendelöl gezielt zur Steigerung des Wohlbefindens eingesetzt. Die Stationsleiterin berichtet, dass viele Patienten, insbesondere solche mit kognitiven Beeinträchtigungen, abends aktiv nach einer mit Lavendelöl bedufteten Filzblume fragen. Diese einfache Maßnahme zeigt positive Effekte bei Schlafstörungen, Ängsten und Unruhezuständen und belegt die sanfte, aber wirkungsvolle Kraft von qualitativ hochwertigem Lavendel.

Das Risiko von Zitrusölen auf der Haut im Sommer

Ein selbstgemachtes Körperspray mit Zitronen- oder Bergamotteöl klingt nach der perfekten Erfrischung für einen heißen Sommertag. Doch hier lauert eine oft unterschätzte Gefahr: die Phototoxizität. Bestimmte Inhaltsstoffe in kaltgepressten Zitrusölen, die sogenannten Furocumarine, reagieren unter UV-Strahlung (Sonnenlicht, Solarium) auf der Haut. Diese Reaktion kann zu schweren, schmerzhaften Verbrennungen, Blasenbildung und langanhaltenden Pigmentflecken (Hyperpigmentierung) führen.

p>Nicht alle Zitrusöle sind gleichermaßen betroffen. Als Faustregel gilt: Alle kaltgepressten Öle aus der Schale von Zitrusfrüchten sind potenziell phototoxisch, mit Ausnahme von Süßorange und Mandarine. Destillierte Zitrusöle hingegen enthalten keine Furocumarine und sind daher sicher in der Sonne. Eine spezielle, sichere Variante ist Bergamotte FCF (Furocumarin-frei), bei der die phototoxischen Moleküle entfernt wurden. Für die Anwendung auf der Haut gibt es klare Grenzwerte, um das Risiko zu minimieren.

Für eine sichere Anwendung müssen diese Konzentrationen strikt eingehalten werden. Eine Studie über phototoxische ätherische Öle gibt folgende Maximalkonzentrationen für die Haut an, um Reaktionen zu vermeiden: Bergamotteöl unter 1 %, Limettenöl ebenfalls unter 1 %, Zitronenöl maximal 2 % und Grapefruitöl maximal 4 %. Der sicherste Weg ist jedoch, nach der Anwendung von potenziell phototoxischen Ölen die Haut für mindestens 12-24 Stunden konsequent vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Für den Sommer sind daher nicht-phototoxische Öle wie Pfefferminze, Geranie oder Krauseminze die bessere Wahl für erfrischende Körperpflege.

Wann ist die Inhalation effektiver als die Massage?

Die Anwendung auf der Haut ist nur einer von mehreren Wegen, wie ätherische Öle auf unseren Körper wirken. Eine ebenso kraftvolle Methode ist die Inhalation, also das Einatmen der Duftmoleküle. Die Wahl der Methode sollte sich nach dem gewünschten Ziel richten: Geht es um ein körperliches Leiden oder um die Beeinflussung der Psyche und Emotionen? Die Antwort liegt in den unterschiedlichen Wirkwegen im Körper.

Bei einer Massage dringen die verdünnten Ölmoleküle langsam durch die Hautschichten in die Blutbahn ein. Es kann 5 bis 30 Minuten dauern, bis sie im Blut nachweisbar sind. Diese Methode ist ideal für lokale, körperliche Beschwerden wie Muskelschmerzen, Verspannungen oder Hautprobleme, da die Wirkstoffe direkt am Ort des Geschehens ankommen und über einen längeren Zeitraum im Gewebe verbleiben.

Vergleich der Anwendungsmethoden ätherischer Öle

Die Inhalation hingegen wirkt blitzschnell. Wenn wir einen Duft einatmen, treffen die Moleküle auf die Riechschleimhaut in der Nase. Von dort senden die Riechnerven direkte Signale an das limbische System im Gehirn – jenes Areal, das für Emotionen, Erinnerungen und unbewusste Reaktionen zuständig ist. Diese Verbindung ist quasi eine Autobahn zum Gefühlszentrum. Deshalb kann ein Duft uns in Sekundenschnelle beruhigen, beleben oder eine längst vergessene Erinnerung wecken. Diese Methode ist unschlagbar bei akuten emotionalen Zuständen wie Stress, Lampenfieber, Ängsten oder plötzlicher Müdigkeit.

Wirkungswege im Vergleich: Psyche vs. Körper

Aromatherapeuten nutzen diese unterschiedlichen Pfade gezielt. Bei einem Klienten mit akutem Prüfungsstress empfehlen sie das Riechen an einem Duftstick mit Rosmarinöl, um die Konzentration sofort zu fördern (Wirkung über das limbische System). Leidet derselbe Klient nach dem Sport unter Muskelschmerzen, ist ein Massageöl mit Rosmarin die bessere Wahl, da die entzündungshemmenden Moleküle direkt ins Muskelgewebe eindringen müssen (Wirkung über die Haut und den Blutkreislauf).

Das Risiko falscher Versprechen bei angeblich „futuristischer“ Mode

Der Begriff „Mode“ kann hier metaphorisch verstanden werden: So wie in der Fashion-Welt Trends und Hypes kommen und gehen, wird auch der Markt für ätherische Öle von Marketing-Wellen und überzogenen Versprechen überflutet. Produkte werden als „revolutionär“, „ultrarein“ oder gar „futuristisch“ beworben, ohne die notwendige Transparenz zu bieten. Dieses Marketing verschleiert oft eine minderwertige Qualität und birgt Risiken für den Verbraucher, insbesondere für Allergiker. Es ist eine Modeerscheinung, die Sicherheit der Ästhetik des Marketings unterordnet.

Eines der größten Risiken sind nicht deklarierte allergene Duftstoffe. In der EU müssen 26 potenziell allergene Duftstoffe (wie Limonene, Linalool, Geraniol) auf dem Etikett aufgeführt werden, wenn sie eine bestimmte Konzentration überschreiten. Dies ist für Allergiker überlebenswichtig. Wie eine Untersuchung von KONSUMENT.AT jedoch feststellte, versäumen es gerade günstigere Produkte, die oft online bezogen werden, diese Stoffe korrekt auszuzeichnen. Dies ist ein erhebliches Sicherheitsrisiko.

Aus Sicht des Verbraucherschutzes ist eine Kennzeichnung von allergenen Duftstoffen sinnvoll. Günstigere Produkte, die vor allem online bezogen wurden, loben leider keine allergenen Duftstoffe aus.

– KONSUMENT.AT, Test ätherische Öle – Deklaration

Dieses Problem wird durch die Dominanz konventionell hergestellter Öle verschärft. Eine Analyse zeigt, dass der Markt für ätherische Öle im Jahr 2024 zu über 65 % aus konventionellen Produkten besteht. Während das Bio-Segment erfreulicherweise stark wächst, bedeutet dies, dass die Mehrheit der auf dem Markt befindlichen Öle potenziell Pestizidrückstände enthalten oder aus weniger nachhaltigen Quellen stammen kann. Lassen Sie sich daher nicht von trendigen Marketingversprechen blenden, sondern vertrauen Sie auf die harten Fakten des Etiketts. Die „futuristischste“ Herangehensweise ist ironischerweise die traditionellste: Transparenz und Qualität.

Hut oder Spray: Was schützt coloriertes Haar besser vor dem Ausbleichen?

Dieser Titel aus der Welt der Haarpflege lässt sich perfekt als Metapher auf den Hautschutz bei der Anwendung ätherischer Öle übertragen. Stellen Sie sich vor, „coloriertes Haar“ ist Ihre Haut, die Sie mit einem potenziell phototoxischen Zitrusöl behandelt haben. Was schützt sie nun besser vor den „ausbleichenden“ – sprich: schädigenden – UV-Strahlen der Sonne? Die Option „Spray“ oder die Option „Hut“?

Die „Spray“-Option symbolisiert hier den Glauben, man könne ein phototoxisches Öl auftragen und sich anschließend einfach mit Sonnencreme schützen. Dies ist ein gefährlicher Trugschluss. Ein Sonnenschutzmittel, egal wie hoch der LSF ist, bietet keinen zuverlässigen Schutz vor einer phototoxischen Reaktion. Die Furocumarine in den Ölen werden durch das UV-Licht aktiviert, das selbst die besten Sonnenfilter zu einem gewissen Grad durchdringt. Sich auf einen „Spray“ zu verlassen, ist ein unnötiges und hohes Risiko.

Die „Hut“-Option hingegen steht für den einzig wahren Schutz: die physische Barriere. Wenn Sie ein phototoxisches Öl auf der Haut verwendet haben, ist der einzige zu 100 % sichere Weg, eine Reaktion zu vermeiden, die betreffende Hautpartie vollständig vor der Sonne zu verbergen. Das bedeutet:

  • Lange, dicht gewebte Kleidung tragen
  • Einen breitkrempigen Hut aufsetzen, wenn das Gesicht betroffen ist
  • Die Sonne für die empfohlenen 12-24 Stunden gänzlich meiden

Diese Methode mag „unpraktisch“ erscheinen, genau wie ein Hut an einem windigen Tag. Aber in Sachen Sicherheit ist sie unschlagbar und nicht verhandelbar. Bei der Anwendung phototoxischer Öle gibt es keinen Kompromiss: Der „Hut“ gewinnt immer über den „Spray“.

Das Wichtigste in Kürze

  • Fett ist Ihr Freund: Ätherische Öle immer in einem fetten Trägeröl (Jojoba, Mandel) verdünnen, niemals in Wasser.
  • Qualität siegt: Achten Sie auf den botanischen Namen, das Herkunftsland und Bio-Siegel auf dem Etikett.
  • Sonne meiden: Nach der Anwendung von kaltgepressten Zitrusölen (außer Orange/Mandarine) die Haut für 12-24 Stunden vor UV-Licht schützen.

Wie pflegen Sie eine gestörte Hautbarriere, wenn selbst Wasser brennt?

Es ist das Worst-Case-Szenario für jeden Hautpflege-Enthusiasten: Die Haut ist so gereizt und ihre Schutzfunktion so geschwächt, dass selbst klares Wasser ein brennendes Gefühl verursacht. Dies ist ein klares Zeichen für eine gestörte Hautbarriere. Die schützende Lipidschicht der Haut ist beschädigt, sie verliert Feuchtigkeit und ist äußeren Reizen schutzlos ausgeliefert. In dieser Situation ist die wichtigste Maßnahme: sofortiger und radikaler Rückzug. Jegliche potenziell reizenden Stoffe, und dazu gehören in diesem akuten Zustand auch alle ätherischen Öle, müssen abgesetzt werden.

Ihre Haut braucht jetzt keine „Wirkstoffe“, sondern nur Ruhe und Unterstützung bei der Regeneration. Der Fokus liegt auf absolut milden, parfümfreien Produkten, die helfen, die Barriere wieder aufzubauen. Inhaltsstoffe wie Ceramide, Panthenol und Sheabutter sind jetzt Gold wert. Das Ziel ist es, der Haut die Bausteine zu geben, die sie braucht, um sich selbst zu heilen. Versuchen Sie nicht, das Problem mit noch mehr Produkten zu „bekämpfen“. Minimalismus ist der Schlüssel.

Die Regeneration einer gestörten Hautbarriere ist ein Marathon, kein Sprint. Es kann vier Wochen oder länger dauern, bis sie sich vollständig erholt hat. Seien Sie geduldig mit sich und Ihrer Haut. Erst wenn die Haut sich vollständig beruhigt hat und nicht mehr auf Wasser oder milde Pflegeprodukte reagiert, können Sie langsam darüber nachdenken, einzelne, sehr milde Öle in extrem niedriger Dosierung wieder einzuführen. Die folgende SOS-Routine bietet einen bewährten Fahrplan:

  1. Sofortmaßnahme: Setzen Sie alle ätherischen Öle und parfümierten Produkte ab. Dies ist eine absolute Karenzphase.
  2. Woche 1 (Beruhigung): Verwenden Sie nur die mildesten, parfümfreien Basisprodukte zur Reinigung und Pflege, idealerweise Produkte für überempfindliche Haut (z. B. aus der Apotheke wie La Roche-Posay Cicaplast Balsam).
  3. Woche 2 (Wiederaufbau): Führen Sie langsam ceramid-haltige Produkte ein, um die Lipidschicht der Haut gezielt zu stärken (z. B. von Marken wie Eucerin oder CeraVe).
  4. Woche 3 (Unterstützung): Wenn die Haut stabil ist, können Sie vorsichtig reine, hochwertige Trägeröle mit regenerierenden Eigenschaften wie Borretschsamenöl oder Nachtkerzenöl testen.
  5. Ab Woche 4 (Testphase): Erst jetzt können Sie einen Test mit einem einzigen, sehr milden ätherischen Öl (z. B. 1 Tropfen Lavendel fein auf 30 ml Trägeröl, was einer ~0,1%igen Verdünnung entspricht) an einer kleinen Stelle wagen.

Geduld und Minimalismus sind die Heilmittel für eine überforderte Haut. Das Wissen um diesen Notfallplan gibt Ihnen die Sicherheit, auch bei einer Reaktion richtig und besonnen zu handeln.

Häufige Fragen zur sicheren Anwendung ätherischer Öle

Welche Zitrusöle sind nicht phototoxisch?

Süßorangenöl und Mandarinenöl gelten als nicht phototoxisch und können daher auch im Sommer sicher auf der Haut verwendet werden. Ebenso sind alle destillierten (statt kaltgepressten) Zitrusöle sicher, da der Destillationsprozess die für die Reaktion verantwortlichen Furocumarine entfernt. Eine spezielle sichere Option ist „Bergamotte FCF“, bei der diese Stoffe gezielt herausgefiltert wurden.

Wie lange muss ich nach der Anwendung die Sonne meiden?

Nachdem Sie ein potenziell phototoxisches Öl (wie kaltgepresste Bergamotte, Zitrone, Limette oder Grapefruit) auf der Haut aufgetragen haben, sollten Sie direkte Sonneneinstrahlung und Solariumbesuche für einen Zeitraum von mindestens 12 bis 24 Stunden konsequent vermeiden. Dies gilt auch bei bewölktem Himmel, da UV-Strahlen die Wolkendecke durchdringen.

Gibt es sichere Alternativen für den Sommer?

Ja, absolut. Für erfrischende Sommermischungen, die Sie bedenkenlos auf der Haut tragen können, eignen sich hervorragend Öle wie Pfefferminze (stark kühlend), Krauseminze (sanfter als Pfefferminze), Geranie (blumig-frisch) oder die bereits erwähnten nicht-phototoxischen Zitrusöle wie Süßorange und Mandarine. Auch Bergamotte in FCF-Qualität ist eine wunderbare, sichere Option.

Geschrieben von Dr. Sarah Klein, Fachärztin für Dermatologie und Allergologie mit eigener Praxis und 14 Jahren klinischer Erfahrung. Spezialistin für Inhaltsstoffanalyse, Hautbarriere-Gesundheit und medizinische Kosmetikberatung.